500 Jahre Utopia, das war letzte Woche auch großer Aufmacher in der Zeit und wird im Deutschlandradio Kultur derzeit in einer ganzen Sendereihe aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.
In Cory d’Ors Roman Utopion wird das im Dezember 1516 erschienene Werk von Thomas Morus ebenfalls vorgestellt und diskutiert. Historiker Ralf Kaska hält in der Runde der sieben Utopisten, die im Zentrum der „Suche nach der besten aller vorstellbaren Welten“ stehen, einen Vortrag darüber. Darin verweist er anfangs auch kurz auf das im gleichen Jahr 1516 erschienene Versgedicht Orlando Furioso von Ludovico Ariosto, in dem die Mondfahrt stattfindet, die ich im vorletzten Blogeintrag erwähnt habe.
Die historischen Abbildungen, die Ralf Kaskas Utopia-Keynote illustrieren und im Roman beschrieben werden, gibt es offenbar tatsächlich (und lassen sich den Beschreibungen nach im Internet finden). Den Anfang macht eine Weltkarte von 1516, gezeichnet vom Kartografen Martin Waldseemüller.
(Später wird Ralf Kaska seiner Frau gegenüber sagen, dass ihn die Abbildung von Kannibalen auf Waldseemüllers „Carta Marina“ – zu finden an der südamerikanischen Küste – zu einem seltsamen Traum angeregt hat. Und dieser wiederum wird dann Einfluss auf die Abenteuer von Reporter Naschke in der Trollburg haben …)
Weiter geht es, was die Bebilderungen des Vortrags angeht, mit der Reise zum Mond – anders als in der im vorletzten Blog-Eintrag erwähnten Apista nicht mit einem Schiff, sondern mit Hilfe von Hippogryphen. (Ariost, lese ich in der Wikipedia, gilt als Erfinder dieses Fabelwesens mit Adlerkopf und Pferdekörper. Es feiert dieses Jahr also ebenfalls seinen 500sten Geburtstag!)
Gustave Doré hat Ariosts Rasenden Roland mit dramatischen Holzstichen in Szene gesetzt. Sie haben nicht nur Walter Moers zu seinem Roman Wilde Reise durch die Nacht inspiriert, sondern boten auch Ralf Kaska Gelegenheit, seinem Vortrag eine weitere Illustration hinzuzufügen.
Danach kommt der Historiker endlich auf Morus zu sprechen und präsentiert ein Bild mit ihm und seinem Gewährsmann Hythlodæus, dem Reisenden, der persönlich von der Insel Utopia berichtet. (Die Abbildung stammt aus einer frühen Ausgabe von Utopia.)
Zur weiteren Bebilderung verwendet Ralf Kaska dann, wie im Roman erwähnt, Holzschnitte aus der französischen Utopia-Übersetzung von Gueudeville (1715).
Morus beschreibt seine utopische Insel als mondsichelförmig. (Es gibt unterschiedliche Holzschnitte, die Utopia zeigen – dieser hier scheint mir der Beschreibung in Utopion am ehesten zu entsprechen.)
Außerhalb der 54 Städte auf der Insel wird Landwirtschaft betrieben. In Utopion heißt es auf S. 74: „ein Landarbeiter hat sich zum Schlafen niedergelegt und den Kopf dazu auf den Arm gebettet“. Genau das ist auch auf einem der Gueudeville-Holzschnitte zu sehen.
Die Bewohner der Insel haben, erfahren wir, eine etwas eigenwillige Einstellung zum Tod. Erklärungshalber lässt der Historiker einen Bewohner von Utopia zu Wort kommen: „Falls sich nun ein Sterbender nur mit Angst und Widerwillen vom Leben losreißt, so erschüttert uns das.“ Was bei Gueudeville im Hintergrund zu sehen ist, deutet wiederum auf den Umgang, wie ihn sich Utopier eigentlich wünschen: „Stirbt jedoch jemand gelassen und voller Zuversicht, feiern wir den Tod mit Freudengesängen“. (S. 77)
Die nächste Abbildung zeigt das Gemeinschaftsleben der Utopier. Es findet in großen Hallen statt. Ralf Kaska identifiziert die Gesellschaftsspiele, die in Utopia erwähnt und im Holzschnitt mit verewigt sind, als „Zahlenfangen und Moralschach“. (S. 78)
Damit endet Ralf Kaskas kurzer Vortrag (zumindest, was die Bebilderung angeht). Morus’ Ideen lassen sich dann in der Utopie wiederfinden, die der Historiker zu Papier bringen wird: Trollland, eine – wie es neudeutsch heißt – „Post-Scarcity-Gesellschaft“, in der der Mangel und Armut überwunden sind.
Das Mittelalterliche und Holzschnittartige von Morus’ Insel lässt Trollland, 500 Jahre danach, allerdings hinter sich.
Schade, dass es nicht ebenso Abbildungen von Trollland gibt, die ich Ihnen hier präsentieren kann: von Traxis, SupraMag und Windtürmen, dem, was Kilian Naschke in der Trollburg entdeckt oder etwa Bilder vom neuen Berliner Luftschiffhafen, von Hunderten von Trollen errichtet (und, so steht zu vermuten, in Trollland auch pünktlich fertig) …