Fabrizius, die Hauptfigur in Trollland, ist ein Erfinder. Zu dem, was er sich ausgedacht und konstruiert hat, zählen unter anderem ein Weinflaschenwenderoboter und ein „Dünungsbett“, das einen sanft in den Schlaf schaukelt.
Auch in Corys Blogroman Korridorium gibt es einen Erfinder: Professor Muzimi Ceril.
Ceril wirkt wie der Archetyp des verrückten Erfinders – ich denke da an Doc Brown aus der Zurück-in-die-Zukunft-Trilogie. Cerils Spezialität: Er hat ein „Händchen für Bewusstseins-Technologien“. Und getreu dem pluridimensionalen Charakter des Blogromans ist er mit seinen obskuren Maschinen nicht zuletzt auch in Parallelwelten unterwegs.
(Nebenbei gesagt: Es war eine interessante Herausforderung, Cerils Ingeniösitäten, beispielsweise das „Gravitationstelefon“, für Corys Blog musikalisch umzusetzen. Das Ergebnis gibt es übrigens als CD-Album von Tychonian Soundworks zum Download. Beispielsweise hier.)
Mit dem durchgeknallten Professor hat Fabrizius, der junge Erfinder aus Trollland, allerdings wenig gemeinsam. Er ist nicht „verrückt“, hat mit Bewusstseins-Technologien nichts am Hut, und seine Erfindungen sind gegenüber denen des schrägen Professors geradezu bestechend simpel und vielleicht sogar ein wenig naiv. Wie etwa seine Uhr für Hundebesitzer, die siebenmal schneller läuft (weil Hunde bekanntlich siebenmal schneller altern als Menschen).
Auch sehr sympathisch: Die Inspiration, die für Fabrizius alles ins Rollen bringt, sind eine Handvoll Kiefernzapfen, vom Baum gefallen.
Während Muzimi Ceril in einem Elfenbeinturm zu hausen scheint, muss sich Fabrizius mit den gesellschaftlichen Konsequenzen seiner Erfindung auseinandersetzen und wird zum Mitgestalter: Er mischt sich ein, beschließt, gemäß seinen Wertvorstellungen („Parruban“) die Zukunft seiner Welt mitzubestimmen.
„Du hast diese Sache ins Rollen gebracht, Fabrizius, und du musst dich deiner Verantwortung stellen.“ Utopion/Trollland S. 496
Fabrizius’ Welt: Trollland – vielleicht gibt es da noch eine weitere Verbindung zu Professor Ceril und Korridorium. Dort wird davon berichtet, dass Ceril eine „Mythenmaschine“ konstruiert. Mythos meint: eine Leitgeschichte, ein visionäres, tiefgründiges Leitbild für die Menschen. Die Maschine des Professors „soll den Mythos für das 21. Jahrhundert kreieren, die universelle Geschichte, die allem, was wir erleben und anstreben, neuen Sinn verleiht“.
Die Mythenmaschine, eine Art riesiger viktorianischer Computer, kommt so schnell zu keinem Ergebnis (und ähnelt darin Douglas Adams’ Deep Thought). Das Korridorium-Blog endete, bevor sie neues, nachhaltiges Leitbild gefunden und veröffentlicht hatte. Wir erfahren nie, ob …
Oder doch?
Ist womöglich Trollland, Fabrizius’ Welt, in der Geld und Krieg unnötig geworden sind und die Menschheit sich für einen friedlicheren Umgang miteinander und mit der Natur entschieden haben, diese visionäre Vorstellung, die der Mythenmaschine entstammt und damit deren späte Antwort?
Utopion wäre dann die Cerilsche Mythenmaschine mit anderen Mittel – und Trollland (mit der Geschichte von Fabrizius, der Verantwortung übernimmt) das, was sie hervorbringt: das gedankliche Fundament, auf dem sich etwas Neues aufbauen lässt, in Form eines sinnstiftenden, Orientierung bietenden Mythos.
Eine Utopie eben.